Forum 3: Chancen für eine fortschrittliche Allianz in der internationalen Klimapolitik? Beispiel Mexiko

Dr. Hermann Ott MdB, Sprecher für Klimapolitik, Sandra Guzmán Luna, Umweltexpertin, Sarah Hackfort, Kompetenzzentrum für Klimaschutz und Anpassung (CliMA), Universität KasselDas Forum beleuchtete die Chancen und Herausforderungen einer klimapolitischen Allianz zwischen Deutschland, der EU und Lateinamerika im Rahmen einer Klimapolitik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten (KluG)[1]. Wie kann die EU mit Lateinamerika eine progressive Klima-Allianz schmieden, um die festgefahrene internationale Klimapolitik in Bewegung zu bringen? Wie kann dabei Klimaschutz sozial gerecht und im Interesse der sich entwickelnden lateinamerikanischen Staaten umgesetzt werden? Diese und viele weitere klimapolitischen Fragen im Zusammenhang mit Lateinamerika wurden anhand des Beispiels Mexico und darüber hinaus mit der Expertise und lokalen Erfahrung der beiden Teilnehmerinnen des Forums diskutiert.

Aktuelle Klimapolitik und mögliche Alternativen

Es bestand allgemeiner Konsens darüber, dass es bereits mehrere innovative klimapolitische Initiativen in Lateinamerika gebe. Ein Beispiel hierfür wäre die Yasuní-Initiative. Sie geht zurück auf den Vorschlag des ehemaligen Präsidenten Ecuadors Rafael Correa, das "Öl im Boden" ("Leave the oil in the soil") und den Regenwald damit unangetastet zu lassen und gleichzeitig die dort ansässige indigene Bevölkerung zu schützen. Im Gegenzug sollen Entwicklungsländer von der internationalen Staatengemeinschaft Ausgleichszahlungen in Höhe der unterlassenen Ölexporte erhalten. Im Unterschied zur aktuellen outputorientierten Klimapolitik konzentriere sich diese Strategie auf die Inputdimension.

Grundsätzlich solle sich Umweltpolitik nicht nur auf Marktmechanismen beschränken, wie es aktuell der Fall sei. Denn die Flexibilität dieses Instruments hätte bisher keine Steuerungswirkung erzeugen können. Erneuerbare Energien beispielsweise hätten in der gesamten globalen Klimapolitik bisher keine ausreichende Rolle gespielt. Ihre Förderung in Deutschland gehe immer noch einher mit dem gleichzeitigen Ausbau von fossilen Energien. Für eine gerechtere Klimapolitik müsse man sich folgende Fragen stellen: Wie kann die Lastenverteilung gerechter geregelt werden? Wann sind verbindliche Vorschriften notwendig, da flexible Marktmechanismen nicht ausreichen? Wollen wir eine Lösung außerhalb oder innerhalb des Systems finden? Wir müssen darüber entscheiden, wie wir uns entwickeln wollen, aber nicht im Sinne von "development", sondern von "evolution".

Der Klimawandel sei ein Querschnittthema, das in viele verschiedene Bereiche eingreife – z.B. Menschrechte, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Seine Eindämmung müsse dementsprechend auch aus einem integrativen Lösungsansatz bestehen. Klimapolitik allein sei nicht ausreichend um den Klimawandel zu bekämpfen. Weiter wurde betont, dass Mexiko sich in den letzten Jahren sehr proaktiv im Klimaschutz zeigen würde, es dennoch viele Bereiche gebe, in denen strukturelle Probleme vorerst gelöst werden müssten. Ein zentrales Thema in Lateinamerika sei deshalb die Anpassung. Mexiko müsse eine Strategie und Techniken entwickeln, wirtschaftlich zu wachsen, aber in Harmonie mit der Umwelt. Die EU könne hier gezielt bei dem Schutz bestehender Ökosysteme unterstützen. Das aktuell verabschiedete Klimawandelgesetz sei eine gute Grundlage, seine effektive Umsetzung jedoch keineswegs garantiert. Durch den Regierungswechsel ab Dezember dieses Jahres bestehe die Gefahr, dass sich der Schwerpunkt von Umweltschutz- zu Industrieinteressen verschiebe. Eine Allianz zwischen EU und Lateinamerika sei deshalb dringend erforderlich. Diese könnte aus einem Austausch von "Best-Practice-Beispielen" in verschiedenen Sektoren bestehen (Erneuerbare Energien, Gender/ Menschenrechte, Mobilität). Auch in der Bevölkerung müsse sich ein größeres Bewusstsein für das Thema entwickeln und die Partizipationsmöglichkeiten erhöht werden. Letztendlich sei schließlich die Bevölkerung mit verantwortlich für einen gesellschaftlichen Wandel.

Umsetzungsmaßnahmen unter Berücksichtigung sozialer und gesellschaftlicher Aspekte

Nach außen präsentiere sich Mexiko als Kooperateur mit der Zivilgesellschaft, die Wirklichkeit sehe jedoch anders aus. Hier wurde auf die bereits existierende mexikanische Umweltbewegung "von unten" ("Environment of the poor") verwiesen. Das mexikanische System sei stark von einem "Top Down" geprägt"; auch die Klimapolitik sei stark hierarchisch. Ein Beispiel hierfür wäre REED ("Reducing Emissions from Deforestation and Degradation"), ein klimapolitisches Instrument, das eingeführt wurde, um die Abholzung des Regenwaldes in Lateinamerika einzuschränken. Die Abholzung ist jedoch immer noch rentabler als der Erhalt. Außerdem sei die Zivilgesellschaft und die lokale Bevölkerung, die aufgrund der Landnutzung unmittelbar betroffen sei, nicht ausreichend einbezogen.

Auch NAFTA (North American Free Trade Agreement), das Freihandelsabkommen zwischen Kanada, USA und Mexiko übe einen enormen Druck auf die mexikanischen Bauern aus. An dieser Stelle wird der Begriff eines "neuen Protektionismus" aufgeworfen. Es müsse wieder mehr zu "Vergesellschaftung" und "Dezentralisierung" kommen. Freihandelsabkommen seien neu zu verhandeln und der Staat solle sich wieder stärker als Garant der öffentlichen Güter sehen. Auch Handels-, Agrar- und Wirtschaftspolitik müssten für eine erfolgreiche Klimapolitik entsprechend angepasst werden. Plädiert wurde zudem für die Einbeziehung von Städten und Gemeinden. Städte seien verantwortlich für Transport, öffentlichen Nahverkehr, Abfallwirtschaft und zudem die größten Emittenten von Treibhausgasen. Damit die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen die Situation des Landes nicht weiter verschlimmere, müsse auf eine Vereinigung von Umweltschutz und Menschenrechten geachtet werden. Außerdem müsse man neben Unternehmen auch kleine Projekte der Bevölkerung unterstützen und die Resilienz verbessern.

Zusammenfassung: Impulse für Santiago

1.Klimapolitik auf Augenhöhe

Progressive Allianz (Förderung von Erneuerbaren Energien)

Bedingungen für Zusammenarbeit mit Kommunen verbessern und erlauben

2. Klimagerechtigkeit fördern

Yasuní: Entwicklungsländer werden entschädigt für unterlassenen Ressourcenverbrauch

Unterstützung und Hilfe bei der Anpassung:

Stärkung bestehender Ökosysteme

Resilienz verbessern und indigene Bevölkerung einbeziehen

3. Klimawandel effektiv bekämpfen

Rahmenbedingungen für Handel müssen geändert und Protektionismus zugelassen werden

Handelsregime, das Schutz für sich entwickelnde Ökonomien bietet

[1]vgl hierzu: http://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/fraktion/beschluesse/klimapolitik.pdf