Forum 2: Rohstoffhandel und Bergbau, am Beispiel Bolivien und Chile

Frau Dr. Juliana Ströbele-Gregor vom Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin, führte das Forum "Lithium und Kupfer – Wer birgt den Schatz? Rohstoffhandel und Bergbau, am Beispiel Bolivien und Chile" mit einem Überblick zu Lithium ein: Lithium wird vor allem für die Herstellung von Batterien und Akkus von Handys, Notebooks oder Elektroautos verwendet. Durch die hohe Nachfrage nach diesen Produkten steige der Lithiumpreis in den letzten Jahren konstant. 17 Länder verfügen über Lithiumvorräte, Chile ist aktuell der größte Produzent mit 44% der Gesamtproduktion. In Bolivien befinden sich jedoch im Salzsee von Uyuni die weltgrößten Reserven von Lithium, der Abbau befindet sich momentan noch im Anfangsstadium, auch weil die Förderung hier deutlich aufwendiger ist als in Chile. Die Regierung plant nun, die Lithiumvorräte abzubauen und hat dafür hohe Investitionen angekündigt. Durch die Herstellung von Lithiumbatterien in Bolivien soll die Wertschöpfung im Land verbleiben und nicht wie oft in der Vergangenheit geschehen,  vor allem den Wohlstand in den westlichen Konsumentenmärkten fördern. An die Lithiumförderung werden große Hoffnungen für die Bekämpfung der Armut und bei der Förderung der nationalen Entwicklung geknüpft.

Carlos Monge, Anthropologe und Historiker

Dr. Juliana Ströbele-Gregor und Carlos Monge, Revenue Watch Koordinator für Lateinamerika, jedoch waren sehr skeptisch hinsichtlich des Potenzials für eine nachhaltige Entwicklung. Wie Carlos Monge ausführte, werde das Geschäftspotenzial von Lithium trotz der steigenden weltweiten Nachfrage überschätzt. Das angebliche Megageschäft sei nichts weiter als ein Fantasiegebilde der Regierung, das den Zahlen nicht stand hielte. Monge zufolge fielen die Einnahmen aus Lithium für Chile trotz des großen Weltmarktanteils von über 40% eher moderat aus. Hinzu käme, dass der Aufbau einer Lithiumindustrie in Bolivien mit großen Schwierigkeiten verbunden sei, da das Land nicht über das nötige Wissen und die Technologie verfüge. Die Absatzmärkte für die Lithiumbatterien liege vor allem im Westen und die entsprechenden Lieferketten müssten erst aufgebaut werden, was sehr lange dauern könne. Schließlich würden für die Lithiumgewinnung hohe Energiemengen benötigt, für die Investitionen in Kraftwerke nötig werden, die wiederum zu Umweltverschmutzung führen könnten.

Hinzu komme, dass es bereits jetzt viele Anzeichen dafür gebe, dass die Umsetzung des Lithiumabbaus im Salar de Uyuni in Bolivien in der derzeitigen Form große soziale und ökologische Kosten mit sich bringen werde. Konsultationsprozesse und Partizipation der lokalen Bevölkerung werden bisher in der Planung und Umsetzung der Projekte zur Gewinnung von Lithium völlig vernachlässigt, Fehler der Vergangenheit würden hier wiederholt. Daher zeigte sich Monge auch skeptisch hinsichtlich des politischen Willens, in Zukunft höhere ökologische und soziale Standards umzusetzen. Es drohten eine zunehmende Luft- und Wasserverschmutzung, die Zerstörung der Biodiversität und negative Folgen für den Tourismussektor. Eine nachhaltige Entwicklung und effektive Armutsbekämpfung für die lokale Bevölkerung werde somit konterkariert. Hinzu drohe eine starke Abhängigkeit von Schwankungen des Weltmarktpreises.

Laut Monge folgteder anvisierte Lithiumabbau – wie auch die generellen Entwicklungspläne Boliviens-   einem überholten Entwicklungsverständnis, das auf die nationale Entwicklung von Industrien  zur Herstellung von Batterien setzt. Monge zog Parallelen zu den industriellen Fantasien sozialistischer Staaten in den 30er Jahren und kritisierte, dass das Modell hinter den Plänen für die Lithiumgewinnung kaum etwas mit dem "buen vivir" Konzept zu tun hätte, das die bolivianische Regierung in der Verfassung eingeschrieben hat. Die Debatte um "buen vivir" verstelle die Diskussion um  wahre Armutsreduzierung

Desweiteren wurde kritisiert, dass eine Strategie fehle, um mit den Einnahmen aus der Lithiumgewinnung (wie auch aus Erdgas) andere Industriezweige aufzubauen  und dadurch eine Diversifizierung der Einnahmebasis des Staates zu befördern.

Der chilenische Bergbau, insbesondere der Kupferabbau, wurde ebenfalls thematisiert. In Chile wird 1/3 der Staatseinnahmen durch Kupfer bestritten. Die Einnahmen seien aufgrund von Schwankungen des Weltmarktpreises sehr unbeständig, China habe die EU als wichtigsten Absatzmarkt überholt. Der Bergbau sei, im Gegensatz zu fast allen Ländern in Lateinamerika, in Chile verstaatlicht, was als ein Grund dafür gesehen wurde, dass Chile durch die Einnahmen aus Kupfer seine Entwicklung vorantreiben konnte. Die Teilnehmer diskutierten über die Frage, ob es effektiver im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung sei, wenn der Staat in Schlüsselindustrien direkt als Unternehmer auftreten sollte oder ob er nur regulierend eingreifen sollte. Eine abschließende Antwort auf diese Frage wurde jedoch nicht gefunden.

Forderungen

Im Laufe der Diskussion im Forum kristallisierten sich eine Reihe von Forderungen heraus:

Auf EU-Ebene sollte in Handelsbeziehungen und insbesondere bei den Assoziierungsabkommen ein stärkerer Fokus auf der Implementierung von sozialen und ökologischen Standards liegen.  Generell müsse das Bewusstsein und die Verantwortung der EU-Politik für soziale und ökologische Fragen im Bergbausektor (und darüber hinaus) gestärkt werden, wobei  Ska Keller, Moderatorin und Mitglied des Europaparlaments, betonte, dass das Europaparlament bereits  bei den Assoziierungsabkommen mit Peru und Kolumbien Schutzklauseln vorgesehen hatte, die dann aber vom Europäischen Rat verhindert worden seien. Die Teilnehmer des Forums schätzten auch die Förderung von Technologie- und Wissenstransfers zwischen Lateinamerika und der EU als zentral für eine nachhaltigere Entwicklung ein. Bergbau als einer der profitabelsten Wirtschaftssektoren, sollte besonders strengen Arbeits- und Sozialstandards unterworfen werden.

Von entscheidender Bedeutung für eine Entwicklung im Sinne der lokalen Bevölkerung seien zudem Partizipations- und Konsultationsprozesse in der Projektplanung, durch die die Akzeptanz der Projekte gefördert werde. Die  Bedeutung von vollständiger Transparenz der Verträge und eine Offenlegung der Lieferketten im Bergbausektor wurde betont. Investitionen in Bergbauprojekte sollten nur in Territorien durchgeführt werden, die vorher einer Sozial- und Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wurden und wenn sie auch makroökonomisch sinnvoll sind.

Einige Teilnehmer des Forums forderten eine stärkere Beachtung sozialer und ökologischer Standards und Prinzipien bei der Vergabe von Geldern für Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, was auf breite Zustimmung stieß. Megaprojekte dagegen verursachten dagegen oftmals mehr Schaden, als dass sie Entwicklung generierten.

Soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Netzwerke sollten gefördert und ihre Aktivitäten entkriminalisiert werden. Sie könnten als Korrektiv dienen, die auf soziale und ökologische Missstände bei Projekten (auch von deutschen Firmen) hinweisen.

Abschließend wurde die Bedeutung von post-extraktivistischen Entwicklungsmodellen im Bergbausektor betont, die auf die nationale Entwicklung anstatt auf Exportorientierung setzt und Sozial- und Umweltstandards einhält.