Debatte zur EU-Lateinamerika-Politik

Rede von Thilo Hoppe (es gilt das gesprochene Wort)

Anrede,

"Otra alianza es posible ! So lautete das Motto eines großen grünen Lateinamerikakongresses Ende letzten Jahres. Otra alianza es posible! Eine andere Partnerschaft ist möglich – und nötig – zwischen Europa und Lateinamerika. Denn die derzeitige offizielle strategische Partnerschaft zwischen der EU und den Staaten Lateinamerikas dient sehr einseitig den Interessen der Exportwirtschaft auf beiden Seiten und ist für soziale und ökologische Belange blind.

In wenigen Tagen treffen sich in Santiago de Chile die Regierungschefs zu einem Gipfeltreffen und es bahnt sich eine Wiederholung dessen an, was ich beim letzten EU-Lateinamerika-Gipfel in Madrid als Beobachter mitverfolgen konnte. Da wurde eine Ausweitung des Freihandels beschworen und als „Wachstumsmotor“ gefeiert. Die große Vision: Verfünffachung der Fleischexporte aus Südamerika nach Europa gegen die Verdopplung der Automobil- und Automobilteil-Exporte von Europa nach Lateinamerika.  Eine prima Agenda, die vielleicht das Wirtschaftswachstum anheizt – aber mit Sicherheit auch das Klima. Eine solche Agenda blendet Menschenrechtsfragen ebenso aus wie die Zerstörung wertvoller Wälder.

Wir fordern in unserem Antrag eine neue Partnerschaft zwischen Europa und Lateinamerika,  die wirklich einer menschenrechtsbasierten nachhaltigen Entwicklung dient.

Und nun habe ich ja heute mit Interesse und Verwunderung gehört, was alles in selektiver, verzerrter Wahrnehmung in unseren Antrag hineininterpretiert wird. Bitte lesen und zitieren Sie doch genau und bleiben Sie bei der Wahrheit!

Wir fordern nichts anderes als das, was auch der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltfragen dieser Bundesregierung fordert: eine sozial-ökologische Transformation, bei uns, in Lateinamerika, weltweit. Denn nur wenn wir nach den Prinzipien wirtschaften und Handel treiben, die bereits auf dem ersten Weltnachhaltigkeitsgipfel 1992 in Rio proklamiert wurden, lassen sich der Klimawandel eindämmen, die Welternährungskrise überwinden und mehr soziale Gerechtigkeit verwirklichen.  Auch Wirtschaft und Handel brauchen soziale und ökologische Leitplanken, die verhindern, dass wir auf Kosten anderer oder nachfolgender Generationen leben.

Aber in den Freihandels- und Assoziierungsabkommen die jetzt auf dem Gipfel in Santiago unterzeichnet werden sollen – z.B. mit Peru und Kolumbien und mit den Staaten Zentralamerikas – sind solche Leitplanken nicht zu finden. Ganz im Gegenteil: Da wird sogar gegen den weltweiten Trend der Bankensektor noch weiter dereguliert, so dass es noch schwerer wird, Geldwäschern aus dem organisierten Verbrechen das Handwerk zu legen. Oder es wird in großem Stil subventioniertes Milchpulver aus der EU zu Dumpingpreisen auf den Märkten Zentralamerikas abgekippt. Das ruiniert die dortige Milchwirtschaft.

Einige von vielen Gründen für uns Grüne, diese Freihandelsabkommen abzulehnen – im Europa-Parlament und in wenigen Wochen auch hier im Bundestag.

Obwohl wir in unserem Antrag die Prinzipien der sozialen und ökologischen Marktwirtschaft verteidigen, lehnt die Koalition unseren Antrag ab. Schade! Aber uns enttäuschen auch die Enthaltungen der SPD und der Linken. Ihre Argumente sind nicht überzeugend. Natürlich haben wir soziale Fortschritte in einigen Ländern Lateinamerikas gewürdigt.  Aber man kann nicht darüber hinwegsehen, dass auch die linkeren Regierungen Lateinamerikas ihre Sozialprogramme hauptsächlich durch den Verkauf von Rohstoffen und Agrargütern finanzieren – und dieser Extraktivismus führt leider zu Raubbau an der Natur, zu sozialen Verwerfungen und oft auch zu Vertreibung von Kleinbauern und Indigenen.

Natürlich ist nicht alles schlecht. Ja, es gibt sie – auf beiden Kontinenten – die politischen Kräfte, die sowohl sozial als auch ökologisch verantwortungsbewusst agieren und wirtschaften wollen, die eine menschenrechtsbasierte nachhaltige Entwicklung anstreben. Diese Kräfte sollten eng zusammenarbeiten – in einer neuen Partnerschaft auf Augenhöhe. Noch sind es überwiegend soziale Bewegungen, Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten. Aber wir streiten dafür und arbeiten daran, dass sie mehr und mehr auch die offizielle, die Regierungspolitik auf beiden Kontinenten bestimmen. Dann wird es sich bewahrheiten: Otra alianza es posible!"