Wir sagen NEIN zum EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru

Bei der Abstimmung im Bundestag über das EU-Freihandelsabkommen mit Kolumbien und Peru am 21. März 2013 gab es von Seiten der Opposition ein eindeutiges NEIN. 

Die Regierungskoalition hatte im Vorfeld versucht, das Abkommen möglichst schnell und ohne angemessene Debatten durch den Bundestag  zu jagen. Wir Grüne haben gemeinsam mit SPD und Linke durchgesetzt, dass auch zu sehr später Stunde noch eine Debatte im Bundestag stattfand und die Reden nicht zu Protokoll gegeben wurden. Es war uns sehr wichtig, unsere Kritik an dem Freihandelsabkommen deutlich zu machen.  

Neuausrichtung der europäischen Handels- und Investitionspolitik notwendig

Wir Grünen sehen in der Förderung des internationalen Handels durchaus positive Chancen. Dies gilt aber nur, wenn die Handelsbeziehungen so ausgestaltet werden, dass alle betroffenen Bevölkerungsgruppen davon profitieren, und nicht nur einflussreiche europäische Unternehmen, die einen exklusiven Zugang zu den professionellen Verhandlern in der Generaldirektion Handel in Brüssel genießen. Handelsliberalisierung hat nur dann positive Auswirkungen auf arme und ärmste Bevölkerungsgruppen, wenn sie behutsam angegangen und an den Möglichkeiten und Grenzen der Wirtschaft des beteiligten Entwicklungslandes ausgerichtet wird.

Die Europäische Union wird ihrer - im Lissabon Vertrag eindeutig genannten – Verpflichtung nicht gerecht, in ihrer Handels- und Investitionspolitik die Menschenrechte und Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung zu wahren. Stattdessen setzt sie noch immer einseitig auf Liberalisierung und Deregulierung.

Leitbild einer menschenrechtsbasierten nachhaltigen Entwicklung

In der grünen Fraktion haben wir uns im letzten Jahr in einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe die Zeit genommen, mit VertreterInnen aus der Zivilgesellschaft, mit WissenschaftlerInnen und WirtschaftsexpertInnen Bedingungen für entwicklungs- und Menschenrechtsfördernde Handelsabkommen ausführlich zu diskutieren.  Das Ergebnis ist ein umfassendes Positionspapier unserer Fraktion, das klare Kriterien für die Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU festlegt. Das Freihandelsabkommen (FTA) der EU mit Kolumbien und Peru erfüllt die von uns benannten Kriterien nicht. Zu diesen zählen wir u.a. folgende: umfassende Transparenz; obligatorische menschenrechtliche und ökologische  Folgeabschätzungen vor und nach dem Abschluss von Abkommen; verbindliche Menschenrechts- und Umweltklauseln, die sich auch auf die Auswirkungen der  Handelsabkommen selbst beziehen; die Anerkennung von Schutzinteressen schwächerer Länder; die Förderung lokalen und regionalen Handels sowie die Förderung der Produktverarbeitung und damit Wertschöpfung in den Entwicklungsländern.

EU-Handelsabkommen wird Menschenrechtslage in Peru und Kolumbien verschlimmern

Wir befürchten, dass das FTA die schlechte Lage der Menschenrechte in Kolumbien und Peru weiter verschlimmert, da mit den Bereichen Bergbau, Agrobusiness und Infrastruktur gerade jene Sektoren durch das Abkommen stimuliert werden sollen, die bereits für massive Konflikte und Menschenrechtsverletzungen an der lokalen Bevölkerung bekannt sind. Die weitgehende Zollfreiheit für den Export von Rohstoffen bei gleichzeitigem Fehlen von verbindlichen Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards sehen wir sehr kritisch, denn dies fördert den rücksichtslosen Abbau von Rohstoffen anstatt einer Diversifizierung der Wirtschaft vor Ort und befeuert weitere Vertreibungen. Der Vertreter der ILO hat gestern im Entwicklungsausschuss deutlich gemacht, dass die vereinbarten Standards im vorliegenden Abkommen im Vergleich zu anderen Freihandelsabkommen wie z.B. dem der USA mit Kolumbien und Peru sehr schwach ausgestaltet sind.

Erleichterungen für Drogenmafia

Zudem kritisieren wir die Vereinbarungen zur Deregulierung von Finanzdienstleistungen, die geradezu konträr zu gegenwärtigen Regulierungsbemühungen innerhalb der EU stehen. Myriam van der Stichele von der Organisation SOMO hat die drohenden Gefahren und die Inkohärenz dieser Vereinbarungen in einer öffentlichen Anhörung des Wirtschaftsausschusses  des Deutschen Bundestags sehr eindrücklich dargestellt. Gerade vor dem Hintergrund, dass Peru und Kolumbien die zwei größten Kokainproduzenten weltweit sind und offiziell anerkannt ist, dass Probleme im Bereich des Drogenschmuggels, der Geldwäsche sowie Steuervermeidung zwischen Kolumbien, Peru und der EU bestehen, ist die vereinbarte Liberalisierung in diesem Bereich in keinster Weise zu rechtfertigen. 

Gefährdung des Menschenrechts auf Nahrung

Zudem sehen wir eine Gefährdung des Menschenrechts auf Nahrung: So müssen Peru und Kolumbien die Einfuhrzölle auf 90 Prozent der landwirtschaftlichen und anderen Güter abschaffen, dadurch sehen sich kleinbäuerliche Produkte einer ungeschützten Konkurrenz mit zum Teil hochsubventionierten europäischen Produkten wie  beispielsweise Milchpulver ausgesetzt.  Wir Grünen treten dafür ein, dass Handelsabkommen verbindliche Menschenrechts- und Umweltklauseln enthalten, die so stark sind, dass z.B. das Abladen von  Agrarüberschüssen der EU in Drittländern von vornerein nicht möglich ist, und dass andererseits auch die Einfuhr von Biomasse und Rohstoffen aus Entwicklungsländern an sehr strenge Kriterien gebunden ist.

Im Bereich der geistigen Eigentumsrechte muss nach grüner Auffassung in Handelsabkommen grundsätzlich darauf geachtet werden, dass es keine Bestimmungen zur Datenexklusivität gibt, die die Zulassung von Generika und den Zugang zu Saatgut erschweren. Genau eine solche Datenexklusivität ist jedoch im EU-Freihandelsabkommen mit Peru und Kolumbien vorgesehen.   

Nachhaltigkeitskapitel ohne „Zähne“

Wir Grünen treten dafür ein, dass bereits vor Abschluss eines Abkommens eine obligatorische Folgenabschätzung stattfinden muss, welche die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt untersucht und dabei die betroffenen Zivilgesellschaften umfassend mit einbezieht. Im Zweifel müssen die Ergebnisse einer solchen Folgenabschätzung auch dazu führen können, dass ein Abkommen gestoppt wird. Im vorliegenden FTA gibt es zwar ein Nachhaltigkeitskapitel, dieses hat aber keine „Zähne“: anders als die Vereinbarungen im Handelsteil sind die Bestimmungen zu sozialen-, ökologischen- und Menschenrechtsstandards im Nachhaltigkeitskapitel nicht rechtlich verbindlich.