Chance vertan: Bundesrat hält umstrittenes Freihandelsabkommen EU-Kolumbien/Peru nicht auf
Zur heutigen Entscheidung des Bundesrates, der Ratifizierung des Freihandelsabkommens der EU mit Kolumbien und Peru zuzustimmen, erklären Thilo Hoppe (MdB) und Ska Keller (MdEP):
Schade! Der Bundesrat hat heute die Chance vertan, das hoch umstrittene Freihandelsabkommen der EU mit Kolumbien und Peru zu stoppen. Obwohl alle von den Grünen mitregierten Länder sowie Brandenburg der Ratifizierung nicht zustimmten, fand das Abkommen eine denkbar knappe Mehrheit. Zünglein an der Waage war ausgerechnet das allein von der SPD regierte Hamburg. Doch weder der Deutsche Gewerkschaftsbund noch die dringenden Appelle von Brot-für-die-Welt und Misereor, die auf dem zur Zeit in Hamburg stattfindenden Kirchentag bekräftigt wurden, konnten Bürgermeister Olaf Scholz bewegen, zusammen mit allen rot-grünen Ländern und Brandenburg das Freihandelsabkommen im Bundesrat aufzuhalten und dafür zu sorgen, dass es nachverhandelt werden muss.
Eine Nachverhandlung wäre dringend nötig, weil selbst von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Folgeabschätzungen zu dem Ergebnis kommen, dass dieses Freihandelsabkommen Landkonflikte, die zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung führen, verschärft. Schon jetzt werden bei großen Infrastruktur- und Minenvorhaben sowie beim exzessiven Anbau von Palmöl und anderen „cashcrops“ in Peru und Kolumbien die Rechte der Kleinbauern und Indigenen mit Füßen getreten. Zudem fördert das Abkommen durch massive Deregulierung des Finanzsektors Steuerhinterziehung und Geldwäsche in Peru, Kolumbien und den EU-Mitgliedsstaaten.
Gut, dass die gesamte Opposition, also auch die SPD, dieses unausgegorene, entwicklungs- und umweltschädliche Freihandelsabkommen im Bundestag abgelehnt hat. Aber jammerschade, dass die SPD in den Bundesländern, in denen sie zusammen mit der CDU oder allein regiert, dieser Linie nicht gefolgt ist!
Trotzdem sollte diese äußerst knappe Entscheidung im Bundesrat für die EU-Kommission ein Warnschuss sein. Freihandelsabkommen dürfen nicht mehr einseitig dem Liberalisierungsdogma folgen und an den Interessen der Exportindustrie ausgerichtet werden, sondern müssen starke, sanktionsbewerte Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsklauseln bekommen. Sonst droht ihnen das Scheitern in den nationalen Parlamenten, wenn diese ein Mitspracherecht haben.