Rede zur Biosprit-Debatte

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben Dirk Niebel und die Linke gemeinsam? Sie neigen bei komplexen Themen – zumindest manchmal – zu sehr einfachen Antworten, die der Herausforderung nicht gerecht werden.

(Beifall bei der SPD)

So ist es auch bei der Konkurrenz zwischen Tank und Teller, die es durchaus gibt, die sich aber nicht einfach durch ein Verbot von Agrotreibstoffen lösen lässt.

Ich will hier aber auch gleich zu Beginn meiner Rede selbstkritisch in Bezug auf uns Grüne sein. Es mag sein, dass wir in der Vergangenheit die Chancen der Agro-treibstoffe überschätzt und die Risiken und Nebenwirkungen unterschätzt haben. Denn vieles von dem, was in dem Antrag der Linken an negativen Folgen aufgelistet wird, entspricht durchaus der Wahrheit. Es ist alarmierend, dass gerade bei den Großinvestitionen in Land – man kann in diesem Zusammenhang auch von Land Grabbing sprechen – der Anbau von Energiepflanzen eine sehr große Rolle spielt. 40 bis 70 Prozent dieser Land-Grabbing-Flächen werden für die Produktion von Agrosprit genutzt; diese Flächen gehen also für den Anbau von Grundnahrungsmitteln verloren.

Wenn ich jetzt eine andere Relation aufzeige, dann keineswegs, um die Konkurrenz zwischen Tank und Teller zu bagatellisieren, wohl aber, um eine andere, sehr viel größere Herausforderung in den Blick zu nehmen. Auch wenn die Tendenz steigend ist, so liegt der Anteil der Energiepflanzen auf den genutzten Agrarflächen weltweit zurzeit bei etwa 3 bis 4 Prozent. Das Zehn-fache, mehr als 30 Prozent, wird für den Anbau von Futtermitteln, überwiegend für die Fleischproduktion, auch bei uns in Europa, genutzt. Die immer stärker werdende Nachfrage nach Fleisch in Schwellenländern wie China verstärkt den Druck auf die Anbauflächen in Entwicklungsländern – auch in solchen, in denen Hunger herrscht.

Ja, es gibt eine besorgniserregende Konkurrenz zwischen Tank und Teller, aber noch eine viel größere zwischen Tank und Trog.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man der Logik der Einfuhr- oder Verkaufsverbote folgen würde: Vor diesem Hintergrund frage ich Herrn Niebel oder auch die Linken, ob sie auch für ein Importverbot für Futtermittel oder für ein Verkaufsverbot von Fleisch aus Massentierhaltung stehen.

(Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist doch etwas völlig anderes!)

Ich will nicht in Abrede stellen, dass E 10 auf den Prüfstand gehört.

(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Kommen Sie! Sie haben es vorbereitet!)

– Herr Heiderich, diese Bundesregierung hat die Einführung von E 10 beschlossen, diese schwarz-gelbe Koalition.

(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Ja, ja!)

Wir haben andere Wege bevorzugt. Wir waren für die Nutzung von reinen Pflanzenölen, aber nicht für die Beimischungsquoten, durch die zum Beispiel die heimischen Ölmühlen aus dem Geschäft gejagt wurden. Es handelte sich um andere Konzepte. Doch aus der Perspektive der Vertriebenen, der Kleinbauern, der Hungernden und der Viehhirten betrachtet, ist es egal, ob auf dem Land, dass sie verloren haben, jetzt Soja für Futtermittel oder Energiepflanzen für Agrosprit oder Schnittblumen angebaut werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige von Ihnen erinnern sich noch an die große Anhörung aus der letzten Wahlperiode, die wir zum Thema Agrotreibstoffe und Hunger mit vielen Sachverständigen veranstaltet haben. Drei Ausschüsse waren beteiligt – das war ein Mammutunternehmen –: Agrarausschuss, Umweltausschuss und Entwicklungsausschuss. Ein Kollege von der CSU – ich sehe ihn gerade nicht – hat zum Schluss das Ergebnis sehr schön zusammengefasst. Er hat gesagt: Eigentlich brauchen wir für alle Agrarimporte aus Entwicklungsländern strenge Nachhaltigkeits- und Menschenrechtskriterien.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE] – Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Ja! Da hat er recht!)

– Ja. – Die Zertifizierung einzelner Plantagen reicht nicht aus, weil dadurch die Ausweicheffekte, die indirekten Landnutzungskonkurrenzen auf anderen Gebieten nicht abgedeckt sind.

Wir brauchen also strenge Nachhaltigkeits- und Menschenrechtskriterien, die die Gesamtpolitik eines Landes unter die Lupe nehmen, die der Frage nachgehen: Kommt es zum Verlust von wertvollen Regenwäldern? Gehen wichtige Flächen für den Anbau von Grundnahrungsmitteln verloren? Wird das Recht auf Nahrung umgesetzt? Das führt dann zwangsläufig zum Prinzip des selektiven Marktzugangs. Ich weiß, das ist umstritten, und wir sind von einer Umsetzung noch weit entfernt, aber wenn man tatsächlich das Prinzip "Food First" verfolgen will, dann führt daran kein Weg vorbei. "Food First", also Ernährung zuerst: Demzufolge müssen wir über andere Handelszugänge debattieren und entscheiden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE])

Dazu wird unsere Fraktion umfangreiche Vorschläge auf den Tisch legen. Ein einfaches Verbot wird der bestehenden Herausforderung nicht gerecht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)