Gefährlicher Trend: Agrarland vor dem Ausverkauf

Der UN- Sonderbeauftragter für das Recht auf Ernährung, Olivier De Schutter, diskutierte im AWZ zu Agrarreformen, Agrarinvestitionen und insbesondere auch zum Thema "Land Grabbing" (Landnahme).  Die anhaltende Hungerkrise verlangt nach einer Wende in der Agrarpolitik, so De Schutter. Der dramatische Preisanstieg im Nahrungsmittelsektor, die gestiegene Nachfrage nach Agrarrohstoffen zur Energiegewinnung und nach Agrarflächen als Investitionsanlage haben zu drastischen Folgen für die Ärmsten der Welt geführt. Im Zuge dieser Entwicklung entstand das zweifelhafte Phänomen der Landnahme, häufig auch als "Agrarkolonialismus" bezeichnet.

In der Hoffnung auf ausländisches Kapital, neue Arbeitsplätze, eine verbesserte Infrastruktur und eine wirtschaftliche Aufwertung der ländlichen Region stimmen oftmals Regierungen von Entwicklungsländern dem fraglichen Deal  zu. Private Investoren ebenso wie reiche aber nahrungsmittelarme Länder kaufen oder pachten große Flächen an Agrarland insbesondere in Entwicklungsländern. Dabei steht einerseits die Sicherung eines Nahrungsmittel- und Energiebedarfs im Vordergrund, andererseits aber auch langfristige Gewinne für Investmentfonds. Diese Investitionen gehen auf Kosten der heimischen Bevölkerung, denn die Wertschöpfung findet kaum im Ursprungsland statt. Es werden lokale Produzenten vom Markt vertrieben und die Ernährungssituation verschlechtert sich. Auch eine räumliche Vertreibung der Bevölkerung geht oft damit einher. In diesem Zusammenhang spielt auch die Frage nach Landrechten eine zentrale Rolle, da viele Kleinbauern keine eigetragenen Grundbuchtitel besitzen. So sind in Afrika nach Schätzungen der Weltbank nur 2-10 Prozent des Landes in formalem Landbesitz. Ebenso zeigt sich ein Bild von Umweltzerstörung sowie des Verlusts an Biodiversität. Die Welternährungsorganisation (FAO) verzeichnet seit 2004 einen Landverkauf von 2,5 Million Hektar (ha) in Äthiopien, Mali, Madagaskar, Sudan und Ghana. Es gibt andere Zahlen, die global von 15 – 20 Millionen ha ausgehen.  

Ökologisch und sozial nachhaltige Agrarinvestitionen als Entwicklungsinstrument

De Schutter plädiert nachdrücklich für Investitionen, die zur ländlichen Entwicklung und Einkommenssteigerung innerhalb der ländlichen Region beitragen. Agrarinvestitionen müssen dabei aber sozial und ökologisch sein und in Strategien zur Armutsbekämpfung eingebunden werden. Dazu muss insbesondere die kleinbäuerliche Landwirtschaft gefördert werden und gleichzeitig verhindert werden, dass sich Land in den Händen weniger konzentriert. Es herrscht eine große Machtasymmetrie zwischen Kleinbauern und Agrarkonzernen und Großinvestoren. De Schutter verweist auf eine Studie der Weltbank, die aufzeigt, dass ungleiche Landverteilung zu geringerem Wirtschaftswachstum führt. Ebenso zeigt er auf, dass kleinbäuerliche Betriebe sehr viel effektiver und umweltschonender produzieren als Agrargroßbetriebe, dies aber nicht auf deren niedrigem Kostenniveau. Investitionsmodelle, die auf Vertragsanbau mit den einheimischen Kleinbauern beruhen, können bei gerechter Vertragsgestaltung eine Chance darstellen.

Die "Prinzipien für verantwortungsvolle Agrarinvestitionen", die von Weltbank, FAO, IFAD und UNCTAD unterstützt werden, schätzt De Schutter kritisch ein. Problematisch ist, dass die Prinzipien lediglich auf freiwilliger Basis beruhen und nicht verpflichtend sind. Ebenso berücksichtigen sie nicht die Spannung zwischen kleinbäuerlichen Betrieben und Agrargroßbetrieben. Auch die Folgenabschätzung und veränderte Wettbewerbssituation, die Investitionen für die Bevölkerung haben, fallen unter den Tisch. Agrarinvestitionen müssen daher zwingend an soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards gebunden werden.