Entwicklungszusammenarbeit und Welternährung

Lebensmittelpreise und Hunger

Bis 2015 soll die Zahl der hungernden Menschen halbiert sein, so steht es in der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen. Doch anstatt diesem Ziel näher zu kommen, stehen wir vor einer Verschärfung des Hungerproblems. Weizen, das Grundnahrungsmittel in vielen Ländern, ist so teuer wie nie. Auch bei anderen Grundnahrungsmitteln sind die Preise drastisch gestiegen. Die Folgen sind dramatisch.

In etlichen armen Ländern geben die Menschen bis zu 80% ihrer verfügbaren  Einkommen für Lebensmittel aus. Wenn dann die Preise für Grundnahrungsmittel rapide in die Höhe schnellen, sind Millionen von Menschen von Hunger bedroht. In Afghanistan beispielsweise kostet Weizenmehl jetzt doppelt so viel wie im Sommer des vergangenen Jahres. Diese neue Hungerkrise trifft aber nicht nur die ärmsten Länder. Auch die Menschen in aufstrebenden Staaten wie Ägypten, Mexiko und Indonesien, die ein hohes Wirtschaftswachstum verzeichnen, leiden unter der Kostenexplosion für wichtige Agrarprodukte.

Die Direktorin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP), Josette Sheeran, warnte vergangene Woche: "Wir erkennen ein neues Gesicht des Hungers, weil mehr Länder und viel mehr Menschen davon betroffen sind".

Auch das WFP selbst  kann seinen Bedarf an Lebensmitteln mit dem vorhandenen Budget nicht mehr bezahlen. Im Rahmen der Nahrungsmittelhilfe kommt es zu bedrohlichen Engpässen, so dass sogar Rationen für Kinder, Arme und Kranke massiv gekürzt werden müssen. Wir Grüne fordern deswegen von den VN-Mitgliedstaaten, also auch von der Bundesregierung, das Welternährungsprogramm mit sofortigen Sonderzuwendungen zu unterstützen, so dass es seine Hilfsprogramme in vollem Umfang fortführen kann.

Die Ursachen für die Krise sind vielfältig!

Einfache Erklärungen für die Armutsgeißeln Hunger und Unterernährung gibt es nicht: Schlechte Politik; Bürgerkriege und Naturkatastrophen; Verlust von fruchtbarem Boden; Abhängigkeit von wenigen Rohstoffen; Schutzzölle und hohe Exportsubventionen in den reichen Ländern; geringe Investitionen in Landwirtschaft und Gesundheit – all das sind Faktoren, die wesentlich zu dem Problem beitragen.

Hinzu kommen neue Entwicklungen wie der hohe Ölpreis, der die Transportkosten für Lebensmittel in die Höhe treibt und dazu führt, dass zunehmend Biomasse für die Produktion von Agrartreibstoffen genutzt wird.

Ein gewaltiges Problem stellt vor allem die ständig wachsende Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten dar. In den westlichen Industrienationen werden seit langem wertvolles Getreide und nährstoffreiche Ackerfrüchte zum Kraftfutter verarbeitet mit dem Ziel, Rinder, Schweine und Geflügel in Rekordzeit zur Schlachtreife zu bringen. Dieses Futtergetreide stammt überwiegend aus Entwicklungs- und Schwellenländern, die häufig eine weitaus größere Menge an Getreide, vor allem Soja, für die Verarbeitung zu Tierfutter exportieren als sie für die Ernährung der eigenen Bevölkerung zurückbehalten. Der steigende Wohlstand in Schwellenländern wie China und Indien lässt auch dort den Fleischkonsum kräftig ansteigen.

Wie kann die Politik auf diese Herausforderungen reagieren?

Wir brauchen eine bessere Politik - sowohl im Süden als auch im Norden. Um ein gerechteres globales Ressourcenmanagement zu organisieren, müssen wir Nachhaltigkeitskriterien für den gesamten Agrarsektor entwickeln. Diese müssen in nationale Flächennutzungspläne einfließen, die sich vor allem am Recht auf Nahrung orientieren. Außerdem gilt es, neue Konzepte zu entwickeln, die ausufernde Spekulation unmöglich machen.

Aufgabe der Regierungen des Südens ist es, den Menschen zu ermöglichen, sich selbst zu ernähren. Sowohl die Förderung des nachhaltigen Anbaus von Grundnahrungsmitteln für die eigenen Märkte als auch der Aufbau und die Stärkung sozialer Sicherungssysteme müssen mehr Bedeutung bekommen.

Die Industrienationen sind dazu aufgefordert, ihre Handels- und Zollpolitik zu ändern. Wir  fordern schon seit Jahren ein Ende der verheerenden Dumpingpolitik der EU. Die Entwicklungsländer müssen in die Lage versetzt werden, ihre heimische Produktion wichtiger Nahrungsmittel vor subventionierter Billigkonkurrenz aus dem Norden zu schützen. Auch in internationalen Handels-, Fischerei- und Agrarabkommen muss das Recht auf Nahrung endlich mehr Gewicht bekommen.

Politik gegen den Hunger muss dort ansetzen, wo der Hunger am größten ist: auf dem Land. Die deutsche Entwicklungspolitik aber vernachlässigt die ländliche Entwicklung sträflich. Gerade einmal 3,1% des Etats für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit kommen direkt der Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft zugute. Wir  fordern mehr Geld für eine nachhaltige Entwicklung auf dem Land, die besonders die Kleinbauern fördert und sich auch  komplizierten Aufgaben wie der Unterstützung von Landreformen stellt. 

In akuten Notsituationen brauchen wir eine effiziente und problemorientierte Nahrungsmittelhilfe und eine neue  Nahrungsmittelhilfekonvention: Ein auf Initiative der grünen Bundestagsfraktion erarbeiteter interfraktioneller Antrag  benennt die Anforderungen an eine solche Konvention.

Nicht zuletzt kommt es aber auch auf jede Konsumentin und jeden Konsumenten an: Weniger Fleischverzehr und möglichst nur aus ökologisch nachhaltiger Produktion, das wäre ein guter Anfang. Darüber hinaus sollten wir, wenn möglich, fair gehandelte Produkte kaufen, die das TransFair Gütesiegel tragen: die Angebotskette reicht inzwischen von Kaffee, Tee, Schokolade, Gewürzen, Orangensaft und Bananen bis hin zu Fußbällen und Teppichen.