Wählervotum in Bolivien respektieren

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Zum Ausgang der Präsidentenwahl in Bolivien erklärt Thilo Hoppe, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Die bolivianische Bevölkerung hat sich bei der Präsidentschaftswahl mit großer Mehrheit für Evo Morales entschieden. Zum ersten Mal wird damit ein Indigener Staatsoberhaupt in Bolivien.

Die internationale Staatengemeinschaft sollte das bolivianische Wählervotum respektieren und den Aymara-Indianer und Kokabauern Morales nicht als "Linkspopulisten" stigmatisieren, der das Land ins Chaos führen werde.

Es zeugt von einem zweifelhaften Demokratieverständnis, wenn jetzt die USA und einige andere Industrienationen damit drohen, ihre Entwicklungshilfe für Bolivien einzustellen. Deutschland als einer der wichtigsten Entwicklungspartner Boliviens sollte mit dem künftigen Präsidenten Evo Morales zusammen arbeiten und seine politischen Gestaltungsspielräume nicht einengen. Die von ihm angestrebte Landreform könnte besonders die prekäre Situation der indigenen Bevölkerungsmehrheit Boliviens nachhaltig verbessern.

Gleichwohl ist vom künftigen Präsidenten Evo Morales zu verlangen, dass er sich an geltende bi- und multilaterale Abkommen und Verträge hält und die Produktion und den Export von Kokain weder legalisiert noch stillschweigend duldet. Zwischen dem von Morales propagierten Anbau von Koka als traditionelle Heilpflanze und der Weiterverarbeitung zur gefährlichen Droge Kokain ist strikt zu unterscheiden.

PERSÖNLICHE ERGÄNZUNG:

Im Oktober letzten Jahres trafen sich Morales und Hoppe in Bolivien zu einem längeren Gespräch. Hoppe war Leiter einer deutschen Parlamentarierdelegation, die sich über den Stand der Entwicklungszusammenarbeit mit Bolivien informierte. Bolivien ist ein Schwerpunktland der deutschen Entwicklungshilfe.

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Nach Gesprächen mit Regierungsvertretern in La Paz wollte Hoppe auch den wichtigsten Oppositionspolitiker des Landes kennen lernen und traf sich mit ihm in einem Hotel in Cochabamba. "Morales kam allein, in Jeans und Freizeithemd, und machte um seine Person nicht viel Aufhebens", berichtete Hoppe. "Doch wenn er sprach, funkelten seine Augen. Er zeigte sich beseelt von der Idee, dass nach Hunderten von Jahren der Unterdrückung die Aymara- und Quechua-Indianer endlich an Einfluss gewinnen und die Geschicke des Landes entscheidend mitbestimmen könnten". Morales, der als charismatischer Anführer der Indigenen und der Kokabauern gilt, ist auch international nicht unumstritten. Während die guatemaltekische Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu in Euphorie ausbrach, als sie hörte, dass ein Indianer Staatschef in Bolivien werden würde, reagierte die Regierung in Washington unterkühlt. Morales will nicht länger ausländischen Konzernen die Konzessionen zur Erschließung und Ausbeutung der bolivianischen Erdgasvorkommen überlassen. Einzelne "Hardliner" in Washington sprachen sogar schon von der Möglichkeit, Morales mit Gewalt zu beseitigen, wenn er beispielsweise die starken Beschränkungen für den Anbau von Koka aufheben sollte. Hoppe, dessen Interesse an der Entwicklungspolitik 1983 auf einer Bolivien-Reise geweckt wurde, hält die Wahl von Morales nicht frei von Risiken – es liege darin aber auch die große Chance, dass die große indigene Bevölkerungsmehrheit sich nun repräsentiert fühle und an der weiteren Entwicklung des Staates, dem sie bisher eher misstrauisch oder abweisend gegenübergestanden hätten, großen Anteil nehmen würde. Hoppe hofft, dass Evo Morales Bolivien in eine bessere Zukunft führen wird.