EU-Indien-Gipfel: Moratorium für das Freihandelsabkommen

Zum morgigen EU-Indien-Gipfel erklären Uwe Kekeritz, Vorsitzender des Unterausschusses Gesundheit in Entwicklungsländern, und Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung:

Im Mittelpunkt des Gipfels steht der Abschluss eines Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indien. Es ist jedoch zu befürchten, dass durch das Abkommen viele Menschenleben gefährdet und Existenzen bedroht werden. Wir fordern daher ein Moratorium für das Freihandelsabkommen, bis eine umfassende menschenrechtliche Folgenabschätzung vorliegt, die besonders die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Abkommens untersuchen.

Indien ist die "Apotheke der Armen". Die indische Generikaproduktion deckt den Großteil des Medikamentenbedarfs in Entwicklungs- und Schwellenländern ab. Die europäischen Bestrebungen Regelungen durchzusetzen, die den Zugang zu Medikamenten erheblich erschweren würden, müssen endlich vom Tisch. Trotz der vielen Proteste aus Politik und Zivilgesellschaft scheint die umstrittene Datenexklusivität aber wieder auf dem Verhandlungstisch zu liegen – das wäre ein Skandal.

Die Streichung von Schutzzöllen für Milchpulver und Geflügelfleisch sowie die Liberalisierung des Einzelhandels würde das Menschenrecht auf Nahrung großer Teile der indischen Bevölkerung massiv gefährden. Zusammen sind in diesen Branchen rund 130 Millionen Menschen tätig, vor allem Kleinbäuerinnen und –bauern und Straßenhänderlinnen und –händler. Sie könnten der europäischen Konkurrenz nur schwer standhalten, viele würden ihr ohnehin geringes Einkommen verlieren. In einem Land, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt und 225 Millionen Menschen chronisch unterernährt sind, ist dies unverantwortlich. Das katholische Hilfswerk Misereor und die Heinrich-Böll-Stiftung warnen schon seit längerem eindringlich vor den negativen Auswirkungen des Abkommens, was die Bundesregierung aber nicht davon abhält, in den Verhandlungen weiterhin auf eine radikale Marktöffnung zu drängen. Wir rufen die Bundesregierung auf, von dieser Position abzurücken und sich stattdessen für entwicklungsfördernde und faire Handelsbeziehungen mit Indien einzusetzen.

Wir unterstützen die lautstarken Proteste tausender indischer HIV-Infizierter und Straßenhändler und kritisieren, dass die Zivilgesellschaft nicht an den Verhandlungen zum Abkommen teilnehmen durfte.