Doha-Runde ohne Lichtblick – Entwicklungsländer durch bilaterale Abkommen bedroht

Zur 8. WTO-Ministerkonferenz erklären Kerstin Andreae, Sprecherin für Wirtschaft, und Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung:

Mit einem Durchbruch rechnet niemand. Ohnehin stößt die 8. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) kaum auf Interesse. Das als "Entwicklungsrunde" zelebrierte Verhandlungsbündel aus Doha entpuppt sich als Farce. Stattdessen droht den Entwicklungsländern durch bilaterale Freihandels- und Investitionsabkommen Gefahr. Einzig die weitere Öffnung der Märkte für öffentliche Aufträge und die Aufnahme Russlands in die WTO sind hoffnungsvolle Signale gegen den vom IWF befürchteten Rückfall der Weltwirtschaft in Protektionismus und Isolation. Dies zeigt, trotz Stillstand der Doha-Runde, dass multilaterale Prozesse noch nicht tot sind.

Die Appelle, einzelne Elemente aus dem Doha-Paket im Interesse der Entwicklungsländer bevorzugt zu verhandeln, werden auch dieses Mal am Widerstand der USA und der EU scheitern. Die EU hatte schon im Vorfeld beschlossen, Agrarexportsubventionen und ähnliche Instrumente nur zu streichen, wenn es zu einer Gesamteinigung kommt. Eine entwicklungsorientierte WTO-Agenda müsste aber darauf verzichten, europäische Exporte künstlich zu verbilligen. Denn dies zerstört lokale Märkte in Entwicklungsländern und verletzt das Menschenrecht auf Nahrung. Die als Fortschritt für die ärmsten Länder gefeierte Teileinigung für einen bevorzugten Zugang zu den Dienstleistungsmärkten der Industrieländer ist nur ein Feigenblatt. Zur Armutsreduzierung wird diese Öffnung nicht führen, da die am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) im Dienstleistungssektor wenig Chancen gegen die Konkurrenz in den OECD-Ländern haben.

Die Musik spielt an der WTO vorbei. Seit die Doha-Runde stillsteht, setzen die Industrienationen ihre wirtschaftlichen Interessen in bilateralen Freihandels- oder Investitionsschutzabkommen durch. Die EU geht dabei besonders aggressiv vor. Sie drängt die Gegenseite zu einem Grad an Liberalisierung, der deutlich über WTO-Standards hinaus geht. Dadurch wird der wirtschaftspolitische Spielraum von Entwicklungsländern massiv beschnitten, lokale Produktionszweige können kaum mehr geschützt werden. Noch engere Fesseln werden den Staaten durch Klagerechte transnationaler Unternehmen angelegt, für die sich die EU vehement einsetzt. Die Folgen für die ärmsten Bevölkerungsschichten in LDCs, aber auch in Schwellenländern wie Indien, sind dramatisch.

Freihandel ist kein Selbstzweck – so wie es die WTO propagiert. Bei der Lösung der Ernährungskrise spielt der internationale Handel eine wichtige Rolle. Jedem Staat sollte der Freiraum gewährt sein, handelspolitische Instrumente (z.B. Schutzzölle) anzuwenden, um die Ernährungssicherheit der eigenen Bevölkerung zu garantieren. Das hat auch der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf angemessene Ernährung erst im November in einem Bericht gefordert. Bisher setzt das Bundeswirtschaftsministerium in Verhandlungen jedoch einseitig auf Marktöffnung zum Vorteil deutscher und europäischer Unternehmen – und zum Nachteil hungernder und armer Menschen weltweit.