Thilo Hoppe diskutiert in Osnabrück über Kinderarbeit in Indien

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Warum müssen wir uns beim Kauf von Pflastersteinen oder Grabmalen über indische Kinder Gedanken machen? Wie können sich Kommunen, Friedhofsverwaltungen und Kirchen in Niedersachsen für eine gerechtere Gestaltung der Globalisierung stark machen? Die Stiftung Leben und Umwelt lud vergangenen Freitag ins Haus Rahenkamp im Osnabrücker Ortsteil Voxtrup, um diesen Fragen genauer nachzugehen.

Trotz später Stunde und sommerlichen Wetters kamen viele Interessierte. Thilo Hoppe, Auricher Abgeordneter im Deutschen Bundestag und Vorsitzender des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung moderierte die Diskussionsrunde. Sein Anliegen ist es, Eine-Welt-Politik verstärkt auch in die Gemeinden hineinzutragen. Hierzu trat er an Kommunalpolitiker, Kirchenvertreter und Friedhofsverwaltungen heran.

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Thilo Hoppe (Mitte) moderierte den Abend

Hintergrund ist, dass auch auf niedersächsischen Friedhöfen rund ein Drittel der Granite, aus denen Grabmale hergestellt werden, aus indischen Steinbrüchen stammen. "Diese Steine sind um das zwei- bis dreifache billiger als die aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern und werden deswegen von den Kunden gerne ausgewählt", erläuterte Wulf Helmert, der als Innungsmeister Schleswig-Holsteins die Zunft der Steinmetze bei der Diskussionsrunde vertrat.

Menschenrechtsexperten haben jedoch herausgefunden und dokumentiert, dass in einigen dieser indischen Steinbrüche Kinder brutal ausgebeutet werden. Die Kinder leisten Schwerstarbeit, anstatt zur Schule zu gehen. Trotzdem verdienen sie so wenig, dass sie und ihre Eltern, die in der Regel ebenfalls im Steinbruch arbeiten, in großer Armut leben. Kein Wunder also, dass Granite aus indischen Steinbrüchen so viel günstiger sind als heimisches Material.

Um gegen die Missstände in indischen Steinbrüchen anzugehen, hat Benjamin Pütter, Berater beim katholischen Hilfswerk Misereor, gemeinsam mit dem ehemaligen Bundesarbeitsminister Norbert Blüm den Verein XertifiX gegründet, der ein Gütesiegel für Steinimporte aus Indien entwickelt hat. Mit dem Siegel können Steinmetze nachweisen, dass ihre aus Indien importierten Steine innerhalb der Wertschöpfungskette vom Steinbruch über die Fabrik bis hin zum Hafen nicht mit Kinderarbeit im Zusammenhang stehen. Zwar ist das Gütesiegel  bisher noch nicht weit verbreitet, "aber immer mehr Steinmetze entschließen sich, mit XertifiX zusammen zu arbeiten", sagte Pütter bei der Veranstaltung.

Mit drei Kirchenvertretern diskutierte Entwicklungspolitiker Hoppe die Möglichkeiten der Kirchen, sich gegen Kinderarbeit zu engagieren. Die Evangelisch-Reformierte Kirche hat bereits eine Musterfriedhofssatzung beschlossen, die besagt, dass nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind. "Bei 2100 Bestattungen pro Jahr auf den Friedhöfen unserer Kirche ist dies zwar nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, aber wir setzen zumindest ein Signal", sagte Kirchenpräsident Jann Schmidt, der extra aus Leer nach Osnabrück angereist war.

Auch die katholische und evangelisch-lutherische Kirche in Osnabrück sind bereits aktiv geworden und planen ebenfalls Änderungen ihrer Friedhofsatzungen. "Nach der Sommerpause erhält bei uns jede Kirche eine neue Musterordnung, die ebenfalls erstmals ein entsprechende Verbot von Kinderarbeit beinhaltet" erläuterte Brigitte Kämper aus der Stabsabteilung Recht und Revision des bischöflichen Generalsekretariats Osnabrück.  Burghard Krause, Landessuperintendent der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannover, betonte, wie wichtig es zudem sei, das Bewusstsein über diese Problematik in der Öffentlichkeit zu wecken. 

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Die Podiumsteilnehmer (v.l.n.r.): Burghard Krause, Brigitte Kämper,
Thilo Hoppe, Wulf Helmert, Jann Schmidt, Benjamin Pütter

Die anschließende Diskussion mit Podium und Publikum zeigte: Alle sind sich einig darin,   dass Kinderarbeit abgeschafft werden muss. Die Umsetzung in der Praxis ist aber mit vielen Schwierigkeiten verbunden. So befürchteten die Steinmetze zum "Buhmann" gemacht zu werden und verwiesen darauf, dass vor allem auch Steinimporteure und große Händler zur Verantwortung  gezogen werden müssen. Die Kirchen gaben zu, dass sie zwar ihre Friedhofsatzungen ändern können, eine vollständige Kontrolle der Umsetzung jedoch unmöglich sei. Auch ergab die Diskussion, dass es zukünftig weiterer unabhängiger Gütesiegel auf dem Markt bedarf, damit die wachsende Nachfrage nach zertifizierten Steinen gedeckt werden kann.

Nicht nur Kommunen, Kirchen, Steinmetze und Verbraucher sind gefragt, gegen Kinderarbeit vorzugehen, sondern auch die Politik. Der Abgeordnete Hoppe erklärte, dass er sich mit Bündnis90/ Die Grünen seit langem dafür stark macht, dass soziale, ökologische und menschenrechtliche Kriterien verpflichtend in die internationalen Handelsbeziehungen Eingang finden.

Einen kleinen Lichtblick auf dem Weg hin zu einer gerechteren Gestaltung der Globalisierung gibt es aber: nach der Sommerpause soll im Bundestag ein Gesetz verabschiedet werden, das erstmals erlaubt, dass ökologische und soziale Kriterien in öffentliche Vergabeverfahren aufgenommen werden. Dies stützt die vielen mutigen Kommunen und Städte in der Bundesrepublik, die bereits jetzt ökologische, soziale und menschenrechtliche Kriterien in ihrem Beschaffungswesen berücksichtigen und damit bisher im rechtlichen Graubereich agierten.