Thilo Hoppes Rede zum Entwicklungshaushalt 2013 (Einzelplan 23)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich einmal vor, ein Vater verhandelt mit seinem Kind über die Höhe des Taschengelds. Das Kind, schon fast 18 Jahre alt, bekommt 100 Euro im Monat, möchte aber mehr haben. Dem hatte der Vater schon grundsätzlich zugestimmt.
Nun wird es konkret. Der Vater sagt mit gönnerhafter Miene: Du bekommst eine Erhöhung von 6 Euro und 6 Cent. – Das Kind freut sich; denn es addiert und rechnet jetzt mit einem monatlichen Taschengeld von 106,06 Euro. Doch da hat es sich leider zu früh gefreut; denn es bekommt tatsächlich nur 6 Cent mehr. Als es den Vater auf diese merkwürdige Differenz anspricht, hört es dann folgende Erklärung: Ja, mein Sohn, du musst wissen: Eigentlich hatte ich vorgehabt, dein Taschengeld um 6 Euro zu kürzen. Aber darauf verzichte ich jetzt großzügig und packe sogar noch 6 Cent drauf.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie sollten einen Roman schreiben!)
Ein solcher Rechentrick wäre absurd. Aber genauso absurd war eine Pressemitteilung aus dem Hause Niebel, als die Eckwerte dieses Haushalts beschlossen wurden. Denn da war von einer Steigerung um über 600 Millionen Euro – auf der Homepage sogar um 733 Millionen Euro – die Rede. Dummerweise fielen einige Journalisten darauf herein und haben diese Falschmeldung auch noch verbreitet. Denn bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese – in Anführungszeichen – „Steigerung“ als Verzicht auf eine angeblich geplante Kürzung.
(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Als seriöse Referenzgröße kann man doch nicht die vage mittelfristige Finanzplanung heranziehen. Aussagekräftig ist doch allein der Vergleich der Zahlen des alten Haushalts mit denen des neuen Haushalts.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir brauchen nicht darum herumzureden: Es gibt einen winzig kleinen Aufwuchs um 0,6 Prozent. Das sind 37,5 Millionen Euro, und das entspricht – ich habe das genau ausgerechnet – in dieser Taschengeldrelation die schon erwähnten 6 Cent im Monat. Inflationsbereinigt kann man sogar sagen: Der Haushalt stagniert oder geht sogar leicht zurück.
Der Minister sagt immer stolz – das haben wir auch heute gehört: Wir sind der zweitgrößte Beitragszahler. Ich habe dazu schon sehr ärgerliche Reaktionen der Kollegen aus Schweden, Norwegen und Dänemark gehört. Denn sie finden diesen Vergleich gar nicht witzig. Es ist doch völlig klar, dass ein kleines Land in absoluten Zahlen weniger zahlt als ein großes Land. Vergleichbar ist doch nur der prozentuale Anteil am Bruttosozialprodukt, den ein Land zahlt, um Hunger und extreme Armut zu bekämpfen. Dabei liegt Deutschland mit einer ODA-Quote von 0,4 Prozent nur auf Platz zehn in der Europäischen Union.
Herr Minister, ich will auf den bildlichen Vergleich mit der Gewichtsklasse nicht näher eingehen. Nur so viel: Wir boxen überhaupt nicht in der Gewichtsklasse, die uns zustehen würde.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Denn gerade Deutschland hat im Gegensatz zu vielen anderen Ländern Europas die Wirtschaftskraft, seinen internationalen Verpflichtungen gerecht zu werden. Aber es duckt sich weg.
Wir sind gefragt worden, wie wir das finanzieren wollen. Mit einem Anstieg der Steuermehreinnahmen um 42,8 Milliarden Euro 2011 und weitere 4,6 Milliarden Euro in diesem Jahr wäre es doch ein Leichtes, einen größeren Betrag zu zahlen, um tatsächlich Hunger, extreme Armut und Aids einzudämmen und mehr für den internationalen Klimaschutz zu leisten.
Doch diese Regierung – ich muss es leider so drastisch sagen – spart bei den Ärmsten der Armen und erzählt trotzdem immer wieder das Märchen, sie halte an dem Ziel fest, bis 2015 eine ODA-Quote von 0,7 Prozent erreichen zu wollen. Dies ist schlicht unmöglich. Spätestens mit dem Haushalt, der jetzt vorgelegt wird, ist völlig klar, dass dieses Versprechen gebrochen worden ist.
In der Euro-Krise wird Deutschland seiner Führungsrolle nicht gerecht, und in der Entwicklungspolitik leider auch nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Im letzten Jahr sind – das ist ein alarmierendes Signal – die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit weltweit erstmals seit sehr langer Zeit um 2,7 Prozent gesunken. Das hängt damit zusammen, dass Länder wie Spanien, die jetzt selber in der Krise sind, ihr entwicklungspolitisches Engagement enorm zurückgefahren haben. Das trifft die ärmsten Entwicklungsländer besonders hart, die ohnehin schon überproportional unter den Auswirkungen der Euro- und Schuldenkrise leiden.
Man kann also sagen: Die Folgen der Krise werden immer weitergegeben, bis sie zum Schluss die Schwächsten der Schwachen am härtesten treffen. Das kann man auch daran sehen, dass die Programme zur Bekämpfung der Hungersnöte in Ostafrika und in der Sahelzone chronisch unterfinanziert sind. Hier muss Deutschland gegensteuern, gerade weil Deutschland auch jetzt, in dieser Krise, wirtschaftlich am besten dasteht und durchaus die Möglichkeiten hätte.
Klar, in dieser Haushaltsdebatte fordert unsere Fraktion auch Sparmaßnahmen in einigen Bereichen, beispielsweise im Verteidigungshaushalt, der sechsmal höher ist als der Entwicklungsetat, und im Agrarhaushalt. Wir fordern die Streichung von umweltschädlichen Subventionen. Aber es gibt auch Bereiche, in denen nachgebessert und mehr Geld investiert werden muss. Wir haben einen Haushaltsvorschlag vorgelegt, der genau dieses Umsteuern bewirkt, der an der einen Stelle nimmt und an der anderen Stelle mehr gibt und der seriös gegengerechnet ist. Wir können den Beweis erbringen, dass die 1,2 Milliarden Euro mehr pro Jahr für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe – das ist auch die Forderung von 60 Prozent der Parlamentarier hier in diesem Hause – wirklich seriös gegenfinanziert werden. Wir betreiben eine werteorientierte Politik. Das spiegelt sich in unserer Haushaltspolitik wider. Das fehlt leider bei der Koalition. Wir hoffen, dass wir im nächsten Jahr die Gelegenheit haben, unsere seriösen Vorschläge tatsächlich umzusetzen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)