Menschenrechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern

Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Homophobie ist vielfach Ursache und Ausdruck von Menschenrechtsverletzungen an Homosexuellen. Die Anschläge auf das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in den letzen Monaten zeigen, wie präsent Homophobie auch in Deutschland noch ist. Dass zwei küssende Männer – wie im Denkmal gezeigt – Wut und Gewalt hervorrufen, macht fassungslos und mahnt uns alle zu mehr Aktionen und Aufklärung gegen Homophobie.

Dazu gehört natürlich auch, dass die in Deutschland immer noch bestehende Diskriminierung von Homosexuellen endlich abgeschafft wird. Gleiche Rechte, gleiche Pflichten – das muss auch für homosexuelle Partnerschaften gelten. Alles andere als Gleichstellung ist und bleibt Diskriminierung.

Gleichwohl gibt es eine steigende Sichtbarkeit und Akzeptanz von Lesben und Schwulen in Deutschland, und dies ist ein bedeutender zivilisatorischer Fortschritt. Trotz der großen gesellschaftspolitischen Erfolge sehen sich viele Lesben und Schwule aber im Alltag wieder stärker bedroht. Das kann eine demokratische Gesellschaft nicht hinnehmen. Hier darf es kein Rollback geben. Homophobie ist keine Bagatelle. Praktizierte Homophobie schränkt die grundgesetzlich garantierte freie Entfaltung der Persönlichkeit für viele Bürgerinnen und Bürger empfindlich ein. Anfeindungen, Beleidigungen, Benachteilungen, jede Form von Diskriminierung, aber insbesondere die Bedrohung durch Gewalt sind ein Angriff auf die Freiheit. Eine demokratische Gesellschaft muss das Recht durchsetzen, jederzeit und an jedem Ort ohne Angst anders sein zu können.

Das Europäische Parlament definiert Homophobie als „auf Vorurteilen basierende irrationale Furcht vor und Abneigung gegen Homosexualität und Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle“ und stuft sie als „ähnlich wie Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus oder Sexismus“ ein; siehe die Entschließung zur Homophobie vom 18. Januar 2006. Von der Bundesregierung wird das Problem der Homophobie hingegen ignoriert und totgeschwiegen. Anders als zu den anderen genannten Ausprägungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gibt es zur Homophobie keinerlei Berichterstattungder Bundesregierung, keinerlei Handlungskonzepte oder gar Programme, keinerlei Öffentlichkeitsarbeit zum Abbau von Vorurteilen und feindseligen Einstellungen und keine Stelle, die sich zuständig fühlt.

Innenminister Schäuble wird nicht müde, tägliche neue Gefährdungsszenarien aller Art für die innere Sicherheit heraufzubeschwören. Zur realen Bedrohung durch antihomosexuelle Gewalt hat er jedoch noch nie ein Wort verloren oder gar Maßnahmen ergriffen.

Es ist erfreulich wenn die FDP sich nun mit diesem recht ordentlichen Antrag für die Menschenrechte und gegen die Diskriminierung von Homosexuellen einsetzt. Glaubwürdiger wäre sie mit diesem Anliegen aber, wenn in den Bundesländern, in denen die FDP mit in der Regierung sitzt, ebenso gehandelt würde. Vielleicht sollten Sie ihrem Justizminister Goll in Baden-Württemberg und ihrem Innenminister Wolf in Nordrhein-Westfalen ihren heutigen Antrag einmal zu Kenntnis geben; denn nicht nur da haben Sie offensichtlich noch Nachhilfe nötig. In beiden Ländern werden Eingetragene Lebenspartnerschaften im Landesrecht noch diskriminiert. Auch ihre hessischen Kolleginnen und Kollegen haben im Landtag gegen eine Gleichstellung gestimmt.

Meine Fraktion hat in dieser Legislaturperiode eine ganze Reihe von Anträgen und Anfragen eingebracht, die sich mit den Menschenrechten von Homosexuellen in Deutschland und international beschäftigt haben. Dabei ist deutlich geworden: Bei allen Herausforderungen auf diesem Gebiet in Deutschland und in der EU gibt es eine Reihe von Ländern auf der Welt, in denen Homosexuelle gar um Leib und Leben fürchten  müssen. In mehr als 75 Ländern wird die Homosexualität strafrechtlich verfolgt. In Afghanistan, Iran, Jemen, Mauretanien, Saudi-Arabien, Sudan und den Vereinigten Arabischen Emiraten droht sogar die Todesstrafe. Diese Rechtslage ist ein eklatanter Verstoß gegen die Menschenrechte, wie sie in dem von den meisten Staaten ratifizierten Pakt über bürgerliche und politische Rechte – Zivilpakt – niedergelegt sind.

Sozusagen als ganz klassisches Gegenbild, als Gegenentwurf zur realen Menschenrechtssituation von Lesben und Schwulen auf dieser Welt, wurden im Jahre 2006 unter Mary Robinson, der ehemaligen UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, die Yogyakarta-Prinzipien entworfen. Diese finden sich auch in dem Antrag der FDP, und das ist gut so. Aus diesen geht hervor, dass es in jedem Menschenrechtsbereich spezifische Aspekte gibt, die bei einer Menschenrechtsgarantie für Lesben und Schwule zu berücksichtigen sind, eine gute Handlungsanleitung für Politiker also. Auf diese Aspekte muss man leider immer wieder aufmerksam machen, weil es immer irgendein Land auf der Welt gibt, wo sie zumindest punktuell nicht gewährleistet sind.

Glaubwürdig kann für die Menschenrechte in anderen Ländern nur eintreten, wer seine Hausaufgaben in Deutschland macht. Es ist höchste Zeit.

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Linktipp: Videos von den Reden Thilo Hoppes in der Mediathek des Deutschen Bundestages.

Bitte beachten Sie auch meine Parlamentarischen Anträge