Demokratie in Honduras

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vor dem 28. Juni dieses Jahres dachte ich, dass Militärputsche in Lateinamerika endgültig der Vergangenheit angehören. Ich dachte, die Zeiten, in denen politisch unliebsame Präsidenten mit vorgehaltener Waffe nachts aus dem Bett geholt und nur mit Unterwäsche bekleidet außer Landes geflogen werden, seien ein für alle Mal vorbei. Ich hoffte, nie wieder lesen zu müssen, dass politische Gegner in Fußballstadien eingesperrt werden. Ich habe mich leider getäuscht.

Der Putsch gegen den legitimen Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, zeigt, dass diese dunklen Seiten der lateinamerikanischen Geschichte leider wieder Teil der Gegenwart sind. Die internationale Gemeinschaft hat diesen Putsch zu Recht deutlich und einstimmig verurteilt. Kein einziger Staat dieser Welt hat den von den Putschisten eingesetzten Präsidenten, Roberto Micheletti, anerkannt. Viele Botschafter von Honduras folgten nicht den Anweisungen der Putschisten, sondern blieben dem legitimen Präsidenten treu, so auch der honduranische Botschafter in Deutschland, Roberto Castañeda, der die heutige Debatte von der Tribüne aus verfolgt und den ich herzlich grüße.

 (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vor allem für die Staaten Lateinamerikas sind die Verurteilung dieses Putsches und die Kraftanstrengung für die Rückkehr des legitimen Präsidenten von enormer Bedeutung; zugleich ist es die Verteidigung der eigenen Demokratie. Hier geht es nicht nur um Honduras, sondern um ganz Lateinamerika. Es geht nicht um die Frage "Zelaya oder Micheletti?", sondern um die Frage "Demokratie oder nicht?"; denn wenn die Rechnung der Putschisten aufgeht und sie aus dieser Aktion irgendeinen Vorteil ziehen können, dann ist die Gefahr groß, dass dieses Beispiel Schule macht und andere unliebsame Präsidenten in Gefahr geraten, beseitigt zu werden. Auch deshalb hat die Organisation Amerikanischer Staaten diesen Putsch so scharf und einmütig verurteilt und die Rückkehr Zelayas gefordert. Sie hat versucht, zu vermitteln – leider ohne Erfolg.

Am kommenden Sonntag soll das honduranische Volk einen neuen Präsidenten, den Kongress, Bürgermeister und Gemeinderäte wählen. Die Putschisten haben alles getan, um bis zu den Wahlen an der Macht zu bleiben und sich dann mithilfe von Scheinwahlen zu legitimieren. Daran sind alle Vermittlungsbemühungen der internationalen Gemeinschaft gescheitert.

Diese Wahlen sind aber keine Lösung für die Krise in Honduras; denn sie können nicht demokratisch sein, sie können kein legitimes Ergebnis hervorbringen. Die Pressefreiheit ist seit Monaten massiv eingeschränkt: Rundfunksender wurden besetzt, Journalisten und Gegner des Putsches verfolgt, bedroht, verprügelt, ermordet. Über 3 000 Menschen wurden seit dem Putsch festgenommen. Amnesty International spricht von exzessiver Gewaltanwendung gegenüber Demonstranten.

Die Liberale Partei in Honduras ist gespalten. Ihr gehören sowohl Zelaya als auch Micheletti an. Vor der zweifelhaften Abstimmung im Kongress, die der Legitimierung des Putsches dienen sollte, wurden viele liberale Abgeordnete, die Zelaya treu geblieben waren, einfach ausgetauscht; ihnen wurde der Zugang zum Parlament verwehrt. Über 300 Kandidaten der Liberalen Partei haben aus Protest gegen den Putsch ihre Kandidatur zurückgezogen, ebenso der unabhängige Kandidat Carlos Reyes. Eine breite Widerstandsbewegung, der auch die Sozialdemokraten angehören, ruft zum Wahlboykott auf. Doch schon der Aufruf zum Wahlboykott ist strafbar und wird verfolgt; 530 Sonderstaatsanwälte wurden eingesetzt, um Verstöße gegen das Wahlgesetz zu ahnden.

Ich bin sehr froh, dass die Europäische Union und die bisherige Bundesregierung den Putsch in Honduras scharf, klar und deutlich verurteilt haben und sich weigern, Wahlbeobachter zu entsenden; denn unter diesen Bedingungen kann es keine faire und demokratische Wahl geben, auch wenn am Wahltag keine Stimmzettel gefälscht werden sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wichtig ist jetzt aber, dass die Reihen geschlossen bleiben und das Ergebnis der Scheinwahlen am kommenden Sonntag auf keinen Fall anerkannt wird.

Ich hoffe, dass die Position der bisherigen Bundesregierung jetzt nicht aufgegeben wird. Leider habe ich da Zweifel. Das liegt am haarsträubenden Agieren der Friedrich-Naumann-Stiftung. Wohl aufgrund einer engen Freundschaft zwischen dem Büroleiter der Friedrich- Naumann-Stiftung in Tegucigalpa und dem jetzigen liberalen Präsidentschaftskandidaten Edwin Santos, einem Mitbetreiber des Putsches, bemühte sich die Friedrich- Naumann-Stiftung schon zwei Tage nach dem Putsch, der erstaunten Öffentlichkeit zu erklären, dass sich die Vereinten Nationen, die Organisation Amerikanischer Staaten und die Europäische Union – schlicht die gesamte internationale Gemeinschaft – irren. Dieser Putsch sei gar kein Putsch gewesen, sondern die notwendige Verteidigung der Demokratie gegen einen Präsidenten, der einen Verfassungsbruch geplant habe.

Ich möchte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, dringend bitten, auch auf die anderen Liberalen aus Honduras zu hören, die diesen Putsch verurteilen, auf den Botschafter in Berlin und auf den legitimen  Vizepräsidenten von Honduras, der sich jetzt im Exil befindet und Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung ist. Ich hoffe sehr, dass der Kurs der Friedrich-Naumann- Stiftung noch korrigiert werden kann.

Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Hoppe, achten Sie bitte auf die Zeit.

Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ansonsten ist die Gefahr groß, dass die krasse Außenseiterposition der Friedrich-Naumann-Stiftung – gegen den Rest der Welt – zur Position des deutschen Außenministers wird. Das wäre fatal.

Ich hoffe, dass es heute im Rahmen dieser Debatte eine Klarstellung der Position der Bundesregierung geben wird. Es muss Konsens unter Demokratinnen und Demokraten sein, einem Militärputsch eine klare Absage zu erteilen und Scheinwahlen nicht anzuerkennen.

 (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)