UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Doha

Das wesentliche Ergebnis der Konferenz in Doha ist, dass die Industrieländer nicht hinter ihre Zusagen von Monterrey zurückgefallen sind und an dem Ziel festhalten, 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zur Verfügung zu stellen. In Folge der Finanzkrise hatten einige Industrienationen, vor allem die USA und Japan, versucht, sich aus ihrer Verantwortung für die Entwicklungsfinanzierung zu stehlen. Die Verteidigung des Monterrey-Konsensus aber schon als Erfolg zu verkaufen, wie es Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul tut, ist Schönfärberei, denn aufgrund der Klimaveränderungen wären viel größere Anstrengungen nötig, um schweren Schaden von den Entwicklungsländern abzuwenden.

Zur Erinnerung: die UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung, die vom 29. November bis zum 2.Dezember 2008 in Doha, Katar stattfand, war die Nachfolgekonferenz von Monterrey. Dort hatten sich im Jahr 2001 die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen auf Maßnahmen verständigt, um die Finanzierung von Entwicklung zu verbessern und so einen Beitrag zur Umsetzung der Millenniumsentwicklungsziele (MDG) zu leisten. Festgehalten wurden die Ergebnisse im so genannten Monterrey- Konsensus.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe reiste als Teil der deutschen Delegation, die von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul geleitet wurde, nach Doha. Hatten sich in Monterrey noch die Staats- und Regierungschefs an den Verhandlungstisch gesetzt, wurden die Industrieländer - bis auf Frankreich - von ihren Entwicklungsministerinnen und -ministern in Doha vertreten. Dass selbst der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, und der Chef der Weltbank, Robert Zoellick, aus "Termingründen" nicht an der Konferenz teilnahmen, ist völlig unverständlich, standen doch die Kernthemen ihrer Institutionen im Zentrum der Debatte.

Das fehlende Interesse der Staats- und Regierungschefs sowie von IWF und Weltbank an der Konferenz schickte ein falsches Signal an die Entwicklungsländer: ihre Stimme wird nicht ernst genommen, ihre Situation wird durch die Finanzkrise in den Hintergrund gerückt und der Kampf gegen Hunger und Armut verliert an Bedeutung.

Ziel der Konferenz in Doha war es, kritisch Bilanz zu ziehen und das weitere Vorgehen bei den 6 in Monterrey diskutierten Themenfeldern zu vereinbaren:

     

  • öffentliche Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit
  • Handel
  • Verschuldung und notwendige Schuldenerlasse
  • Mobilisierung einheimischer Ressourcen
  • Rolle von Auslandsinvestitionen
  • notwendige Strukturveränderungen im Finanzsystem
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Wurde dieses Ziel erreicht?

Bei den Geldern für die Entwicklungszusammenarbeit konnte nach harten Verhandlungen lediglich verhindert werden, dass sich die USA und Japan nicht von der in Monterrrey getroffen Vereinbarung verabschiedeten, langfristig Mittel in Höhe von 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden.

Wie die Industrieländer dieses Ziel umsetzen wollen, bleibt jedoch weiterhin unklar. Deutschland hat sich zwar innerhalb der EU verpflichtet, bis 2015 das 0,7%-Ziel umzusetzen, bisher fehlt jedoch eine nationale Strategie, wie diese Zusage umgesetzt werden soll. Schon jetzt klafft eine Milliardenlücke zwischen gemachten Zusagen und tatsächlich aufgewendeten Mitteln – Tendenz steigend!

Im Vorfeld der Konferenz kam die Hoffnung auf, dass die WTO-Verhandlungen wieder in Gang kommen und die so genannte Entwicklungsrunde dieses Jahr doch noch abgeschlossen werden könnte. Doch beim Kapitel Handel lautet die nüchterne Bilanz: "Nichts Neues".

Enttäuscht wurden auch diejenigen, die auf neue Entschuldungsinitiativen gehofft hatten. Allerdings wurde leise über die Schaffung eines internationalen Insolvenzrechts für überschuldete Staaten nachgedacht und dies auch verklausuliert im Abschlussdokument erwähnt. Es wäre äußerst begrüßenswert, wenn dieser Debatte wieder Leben eingehaucht würde. Doch leicht wird es nicht, auf einen Nenner zu kommen. Hier fangen die Schwierigkeiten schon innerhalb der EU an.

Für die Mobilisierung heimischer Ressourcen, bei der es unter anderem um die Steigerung der Steuereinnahmen in Entwicklungsländern geht, wurde darüber diskutiert, wie man gegen Steuerflucht und -vermeidung vorgehen kann. Zentral ist es, Steueroasen auszutrocknen, in denen jährlich 500 Mrd. Euro aus Entwicklungs- und Schwellenländern verschwinden. Das ist das Fünffache der offiziellen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. In Doha einigte man sich auf eine vorsichtige Formulierung, die ein internationales Steuerabkommen und die Aufwertung der Steuerkommission der Vereinten Nationen erwägt. Auch wenn dies von der deutschen Entwicklungsministerin mit voran getrieben wurde, ist es ein offenes Geheimnis, dass ihre Initiative von Finanzminister Steinbrück mit Argwohn betrachtet wird. Wer wird sich letztendlich durchsetzen?

Den größten Streit gab es um die Frage, ob die Weltfinanzkrise und die neue Weltfinanzarchitektur in den Vereinten Nationen oder der G 20 diskutiert werden soll. Die große Mehrheit der Entwicklungsländer forderte einen Gipfel der Staats- und Regierungschefs unter dem Dach der UNO. Besonders die USA beharrten jedoch darauf, dass das Thema bei der G 20 bleibt, in der die Industrienationen und die wichtigsten Schwellenländer unter sich sind. Letztlich setzte sich der Präsident des UN-Generalversammlung, Miguel d'Escoto Brockmann mit seinem Kompromissvorschlag durch, dass "auf höchster Ebene" im Rahmen der Vereinten Nationen weiter beraten werden soll. Das umstrittene Wort "summit" (Gipfeltreffen) wurde jedoch aus dem Schlussdokument gestrichen.

Nun wird es wahrscheinlich im Frühjahr 2009 zu einer Konferenz unter Ägide der Vereinten Nationen kommen, bei der über die "Weltwirtschafts- und Finanzkrise und ihre Auswirkungen auf die Entwicklung" gesprochen wird. Mit dieser Bezeichnung setzten die USA durch, die versuchen will, aus einer Weltfinanzkonferenz eine Entwicklungskonferenz zu machen.

Dadurch wird eine Trennung zwischen Entwicklungs- und Industrieländern vorgetäuscht, die nicht existiert: Die Krise trifft alle Staaten, egal ob reich oder arm. Daher sollten die Entwicklungsländer auch nicht aus den Verhandlungen und Entscheidungen über die Reform des internationalen Finanzsystems ausgeschlossen werden. Welche Rolle der UNO hierbei wirklich zukommt, hängt nun stark von der vereinbarten Konferenz ab. Es bleibt zu hoffen, dass von dieser Konferenz starke Impulse ausgehen und es den Entwicklungsländern gelingt, sich Gehör zu verschaffen. Denn so wie die Konferenz in Doha im langen Schatten des Weltfinanzgipfels in Washington Mitte November stand, droht die verabredete UN-Konferenz in dem Schatten zu stehen, den das G 20 Treffen im April bereits jetzt wirft.

Die Rolle der Bundesregierung, vertreten durch Heidemarie Wieczorek-Zeul, bei den Verhandlungen war zweischneidig. Zwar hat die Ministerin dazu beigetragen, dass im Schlussdokument am 0,7%-Ziel festgehalten, die internationale Steuerkooperation erwähnt und ein internationales Insolvenzrecht angedacht wurde. Andererseits weiß die Ministerin genauso gut wie Nichtregierungsorganisationen und Opposition, dass die Umsetzung des deutschen Beitrags im Bundeskabinett auf Widerstand stoßen wird und wahrscheinlich nicht mehrheitsfähig ist.

So droht die Konferenz von Doha zu einem weiteren Beispiel dafür zu werden, das den Taten keine Worte folgen. Am Kabinettstisch ist noch nicht angekommen, dass es bei Entwicklungspolitik um die Veränderung internationaler Strukturen geht. Hierfür bedarf es nicht nur einer guten Entwicklungspolitik, sondern auch einer entwicklungspolitisch kohärenten Wirtschafts-, Finanz-, Agrar-, Außen- und Umweltpolitik. So lange diese Kohärenz nicht hergestellt ist, bleibt immer der Eindruck, dass die Regierung mit verteilten Rollen spielt, um die verschiedenen Lobbyisten nicht vor den Kopf zu stoßen.

 

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